Zum Weltspartag: Sparen ist gut, investieren ist besser
Interview mit Claudia Müller, CEO Female Finance Forum und Autorin
Alle Jahre wieder...kommt der Weltspartag am 30. Oktober. Einerseits erfreulich, vor allem um Kindern den Sinn des Sparens näherzubringen, andererseits vielleicht ein wenig zu kurz gedacht, wenn es um andere Anlagen und Investieren geht. Gemeinsam mit Claudia Müller, Autorin des Familienfinanzratgebers "Über Geld spricht man doch!" und CEO des Female Finace Forums, blicken wir auf Weltspartag und warum wir unseren Umgang mit Geld mitunter positiver gestalten sollten.
Am 30. Oktober ist Weltspartag. Was halten Sie von diesem Tag?
Der Weltspartag ist zunächst ein schöner Anlass, um mit Kindern über Geld zu reden. Ich finde es übrigens sehr geschickt, dass – in meiner Wahrnehmung – vor allem Sparkassen diesen Tag vereinnahmen. Persönlich wünsche ich mir eher eine Art Weltgeld- oder Weltgeldanlagetag. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, mehr über investieren bzw. anlegen zu reden. Prinzipiell sollten wir aber generell viel häufiger über Geld reden, speziell mit unseren Kindern – nicht nur einmal im Jahr.

Erinnern Sie sich noch an einen Weltspartag aus Ihrer Kindheit?
Auf jeden Fall. Ich habe es geliebt. Ich fand das großartig, zur Bank oder Sparkasse zu gehen und ein Sparschwein oder ein Kuscheltier zu bekommen. Ehrlicherweise hat es aber nicht viel mehr bewirkt. Ich habe bereits vorher gerne Geld in die Spardose gesteckt.
Sie haben ein Buch geschrieben namens "Über Geld spricht man doch!" Darin erklären Sie gemeinsam mit Isabel Sorg, wie Kinder einen spielerischen Umgang mit Geld erlernen können. Wann ist der richtige Zeitpunkt, mit Kindern erstmals über Geld zu sprechen?
Jederzeit! Wir können Kinder gar nicht vor dem Thema Geld bewahren – es ist zudem kontraproduktiv. Geld spielt in unserem Alltag eine wahnsinnig wichtige Rolle und Kinder sind immer dabei – bereits als Baby im Kinderwagen auf dem Weg zum Geldautomaten oder wenn wir Rechnungen öffnen bzw. die Steuererklärung machen. Der Nachwuchs bekommt alles mit. Geld erhält spätestens eine Bedeutung, wenn Kinder mit ihrem eigenen Kaufladen spielen.
Das Konzept 'Ich gebe Dir Geld, um dafür ein Eis zu kriegen' begreifen Kinder schon, wenn sie zwei Jahre alt sind. Selbstverständlich muss niemand mit ihnen in diesem Alter über Investitionen reden. Es gilt jedoch: Eltern sind die größten Vorbilder ihrer Kinder. Wenn ein Elternteil beispielsweise immer in Stress gerät, sobald eine Rechnung ins Haus flattert, dann registrieren Kinder dies. Alternativ kann eine Rechnung positiv belegt sein, weil ich damit etwas bezahle, was für die Familie erfreulich ist – ein neues Fenster in der Wohnung oder eine Küche. Bei der Steuererklärung ist es ähnlich. Viele Leute sind fast traumatisiert und fluchen monatelang, dass sie diese Papiere ausfüllen müssen. Kinder machen die Erfahrung, dass Steuererklärungen ganz fürchterlich sind. Eine andere Betrachtungsweise: Im Durchschnitt dauert eine Steuererklärung rund vier Stunden und der Steuerzahler erhält ca. 1.000 Euro zurück. Das ist ein fantastischer Stundenlohn und ein Aufwand, den ich gerne bzw. zumindest mit einem Ziel vor Augen betreibe. Ich finde, Eltern sollten sich solche Dinge klarmachen und ihren Kindern den Wert und die Verwendung von Geld erläutern.
Meine Tochter war kürzlich sehr enttäuscht darüber, dass sie die Karte am Geldautomaten jetzt nur noch auflegen und nicht mehr reinstecken muss.
Ja. Das Prinzip 'Geld kommt aus der Wand' muss erklärt werden. Gleiches gilt für die Frage, ob mit Bargeld oder mit Karte gezahlt wird. Wann ich bewusst mit meinem Kind darüber rede? Mitunter früher, als die meisten Leute denken. Beim Geldautomaten vielleicht ab drei Jahren, wenn es darum geht, was mit der Karte passiert. Interessant für Kinder ist ebenfalls, was für eine Stimmung zuhause durch Geld verursacht wird. Das erleben Kinder sehr früh.
Wie und wo lässt sich mit dem Nachdenken über Geld beginnen?
Idealerweise mit dem Betrachten, welches Gefühl bei mit selbst ausgelöst wird, wenn eine Rechnung oder ein Brief vom Finanzamt kommt. Wir sollten uns bewusst hinterfragen, woher diese Regung kommt und ob wir jene vielleicht von unseren Eltern gelernt haben. Es gibt dieses erlernte Wissen, z. B., dass am Ende des Monats nie genug Geld übrigbleibt und dass nur harte Arbeit uns erfolgreich sein lässt. Über diese Art der Prägung empfiehlt es sich, nachzudenken.
Inwieweit ist Geld ein Thema, welches in Schulen gehört? Oder ist es Familiensache?
Beides. Wie erwähnt, prägen die Eltern das Verhalten ihrer Kinder, wenn es um das Verhältnis zu Geld geht. Der Umgang in den Elternhäusern ist eben sehr unterschiedlich – mancherorts wird gar nicht darüber geredet, an anderer Stelle primär negativ. Tendenziell sehen wir, dass Kinder aus wohlhabenderen Familien nicht nur mehr Geld, sondern meist mehr Finanzwissen mitnehmen. Die gesellschaftliche Schere geht hier schnell auseinander. Kindern aus weniger 'reichen' Familien fehlen diese Kenntnisse und sie verbinden mit Geld oft negative Gefühle. Insofern brauchen wir die Vermittlung von Finanzwissen in den Schulen – gerne recht früh.
Im Teenageralter kommt außerdem hinzu, dass sich Jugendliche über materiellen Besitz vergleichen, beispielsweise über neue Sneaker oder Jacken. Dann ist es ratsam, darüber zu reden, dass Geld nichts über den Wert von Personen aussagt. Das würde ich mir sehr stark in den Schulen wünschen.
Ich bin gleichzeitig überzeugt davon, dass wir lebenslanges Lernen rund um das Thema Geld brauchen. Wir müssen mit einem 15-Jährigen wahrscheinlich nicht dezidiert über seine Altersvorsorge reden. Ehrlicherweise haben Teenager einfach andere Themen im Kopf und sie dürfen gar nicht eigenständig investieren. Immobilien stehen eher weitere ein oder zwei Jahrzehnte später an.
Als Fazit: Wir lernen über das ganze Leben hinweg Neues zum Thema Geld und es empfiehlt sich, die Grundlagen in der Schule zu legen.
In Ihrem Buch gibt es Aussagen, die immer mit "Mama, Papa…" anfangen. Unsere Frage: "Mama, Papa, wie werde ich reich?"
Spannend ist schon die Fragestellung. Wie werde ich reich? Und nicht: Kann ich überhaupt reich werden? Sehr gut. Es ist wichtig, dem Kind mitzugeben, dass es machbar ist. 'Du kannst es schaffen. Gerade, wenn Du früh anfängst. Dann kannst du auch Millionärin werden.' Wobei Millionär heute nicht mehr unbedingt bedeutet, steinreich zu sein.
Hinsichtlich der Erklärung gibt es ein paar Basics, u. a. einfach weniger ausgeben, als reinkommt. Dann kann zum Taschengeld übergegangen werden, über die verschiedenen Töpfe, die dort vorstellbar sind: Kurzfristiges Geld für Süßigkeiten einplanen, mittelfristig den Aufpreis für die Sneaker einrechnen, welche die Eltern nicht komplett bezahlen wollen und so weiter. Abschließend gilt es, langfristig zu denken und zu investieren oder auch Spenden zu beachten.
Zudem ist zu verstehen, dass Geld verschiedene Nutzungszwecke haben kann. Zurück zum 'Millionär werden': Der Fokus fällt irgendwann auf die Einnahmeseite. Dann schauen wir, welche Jobvorstellungen bestehen oder wie sich unternehmerisches Denken fördern lässt. Wie kann zusätzliches Geld hinzuverdient werden? Wie funktioniert ein Brutto-Netto-Gehalt? Welcher Job bringt wie viel Geld? Ist Influencer wirklich die beste Idee für eine Zukunft oder sollte der Jugendliche doch ein bisschen was anderes lernen?
Eine weitere Frage: Mama, Papa, warum verdient Papa mehr als Mama?
Vorweg: In dem Alter, in dem das Kind diese Frage formulieren kann, ist es auch bereit für die Antwort. Dann darf darüber geredet werden. Die Antworten sind vielfältig: Entweder, weil Mama und Papa zusammen beschlossen haben, dass Mama mehr Zeit mit den Kindern verbringen möchte. Oder, dass Frauen weiterhin für dieselbe Arbeit weniger Gehalt bekommen. Teilzeiterwerbstätigkeit kann auch vorliegen. Ideal wäre zudem die Aussage, dass Mama und Papa ein Team sind und es gute Absicherungsmechanismen gibt.
Haben Sie noch einen Tipp zum Weltspartag?
Sparen ist gut, investieren ist besser.
Guter Tipp. Womit können Eltern starten, wenn sie eine Kinderanlage planen?
Mit ETFs – ganz klassisch und breit gestreut. Der große Vorteil: Wenn wir für Kinder investieren, existiert ein sehr langer Investitionshorizont. ETFs bieten Flexibilität, was die Höhe der Einzahlungen und die künftige Verwendung angeht.
Wir können z. B. Teile des Kindergelds oder regelmäßig kleine Beträge in ETFs investieren. Das Ziel des Sparplans: Die Ausbildung oder das Studium oder eine spätere Eigentumswohnung. Die Möglichkeiten sind unbegrenzt.
Wir wissen zwar nicht genau, was in den nächsten 18 Jahren des Lebens unserer Kinder passiert, aber dass wir finanziell für sie verantwortlich sind, das wissen wir.
Hintergrund zu Claudia MüllerDie Ökonomin Claudia Müller ist CEO des Female Finance Forums. Sie studierte internationale VWL sowie Staatswissenschaften und arbeitete u. a. bei der Deutschen Bundesbank. Dort war sie für das Thema nachhaltige Geldanlagen zuständig. 2017 gründete sie das Female Finance Forum, mit die Ziel, mehr Interesse an Geld und Finanzanlagen bei Frauen zu wecken. 2024 erschien das Buch "Über Geld spricht man doch!" welches sie gemeinsam mit Isabel Sorg verfasste.
Titel kaufen: Über Geld spricht man doch!*
Inhalt: Wie Kinder spielerisch einen guten Umgang mit Geld lernen
Autoren: Claudia Müller, Isabel Sorg
Verlag: Kösel-Verlag
Seiten: 256
ISBN: 978-3-466-31217-7
Paperback, Klappenbroschur
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