TARGET2/T2-Saldo – Entwicklung seit 1999

So haben sich die Forderungen der Bundesbank aus TARGET2 bzw. T2 entwickelt

Was ist der TARGET2-Saldo?

TARGET2-Saldo bezeichnet die Forderungen der Bundesbank aus TARGET2, einem Zahlungsverkehrssystem. Dabei steht TARGET für: Trans-European Real Time Gross Settlement Express Transfer System. Im März 2023 wurde das europäische Zahlungsverkehrssystem TARGET2 durch den Nachfolger T2 abgelöst.

TARGET2 (bzw. das T2-Echtzeit-Bruttoabwicklungssystem) dient dazu, nationale und grenzüberschreitende Zahlungen in Zentralbankgeld durchzuführen. Kauft beispielsweise eine Person aus Frankreich bei einer Person aus Deutschland ein, belastet die französische Bank das Konto des Käufers und gibt die Überweisung an die deutsche Bank des Verkäufers in TARGET2 ein. Die französische Notenbank Banque de France belastet im Anschluss das TARGET2-Konto der französischen Bank im eigenen Haus. Es entsteht eine Verbindlichkeit gegenüber der deutschen Bundesbank sowie eine Forderung der deutschen Bundesbank gegenüber der Banque de France. Die deutsche Bundesbank schreibt den entsprechenden Betrag der Bank des deutschen Verkäufers auf dem TARGET2-Konto im eigenen Haus gut.

Über TARGET2 flossen bis März 2023 pro Tag im Durchschnitt rund 350.000 Zahlungen (Wert: ca. 1,7 Billionen Euro). Innerhalb eines Jahres wurden von TARGET2 knapp 90 Millionen Zahlungen in einem Gesamtwert von 430 Billionen Euro abgewickelt.

Das neue System wird jeden Tag durchschnittlich für 400.000 Zahlungen genutzt. Ihre Höhe beträgt etwa 2,2 Billionen Euro. Pro Jahr sind es durchschnittlich 145 Millionen Zahlungen in Höhe von etwa 570 Billionen Euro.[1]

Wie entwickelt sich der TARGET2-Saldo?

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Quellen:

Die Bundesbank teilt die Entwicklung des TARGET2-Saldos in vier Phasen ein:

  • Phase 1: Bis 2007
  • Phase 2: 2007 bis 2012
  • Phase 3: 2012 bis 2015
  • Phase 4: Ab 2015

In der ersten Phase bewegte sich der TARGET2-Saldo entlang der Nulllinie. Es kam zu mäßigen Schwankungen. Im Wesentlichen waren die TARGET-Transaktionen der Bundesbank ausgeglichen. Grund hierfür waren deutsche Leistungsbilanzüberschüsse und Kapitalexporte privater Akteure.

Die zweite Phase begann mit der Finanzkrise 2007. Der TARGET2-Saldo stieg in Folge der Krise stark an. Es gab nur wenig Abflüsse an Banken in Krisenländern.

Ab Mitte 2012 beruhigte sich die Lage. Der EZB-Präsident versprach, alles zu tun, um den Euro zu retten. Daraufhin sank der TARGET2-Saldo.

Die vierte Phase begann 2015 mit dem Anleihen-Kaufprogramm der EZB. Die Anleihenkäufe werden zu großen Teilen mit Banken und Investoren getätigt, die außerhalb des Euro-Raums sitzen und TARGET2-Konten bei der Deutschen Bundesbank besitzen. Dadurch steigen die TARGET2-Forderungen. Ende 2017 kletterten sie über 900 Milliarden Euro. [2]

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Datum TARGET2-Saldo in Mrd. Euro Veränderung ggü. Vorjahresmonat
Quelle: Deutsche Bundesbank
2007-01 13,000 733,33%
2008-01 93,688 620,28%
2009-01 133,692 42,70%
2010-01 177,760 32,96%
2011-01 302,630 70,25%
2012-01 498,131 64,60%
2013-01 616,937 23,85%
2014-01 500,357 -18,90%
2015-01 515,266 2,98%
2016-01 587,000 13,92%
2017-01 795,621 35,54%
2018-01 882,052 10,86%
2019-01 868,142 -1,58%
2020-01 811,435 -6,53%
2021-01 1.054,994 30,02%
2022-01 1.149,868 8,99%
2023-01 1.162,354 1,09%

Target2-Salden in den Ländern der Eurozone

Welchen Stand die Target2-Salden der einzelnen Länder der Euro-Zone derzeit haben und wie sich dieser Stand in den letzten Jahren entwickelt hat, zeigt unsere nachfolgende Statistik:

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Quellen:

Welche Kritik gibt es an der Entwicklung des TARGET2-Saldos?

Erste Kritik am TARGET2-Saldo gab es bereits nach der ersten Veröffentlichung des TARGET2-Saldos im Jahr 2011. Hans-Werner Sinn schrieb in der WirtschaftsWoche:

„Bei der Festlegung der Regeln für den europäischen Zahlungsverkehr im Euro-System ging man davon aus, dass es sich um vernachlässigbare Beträge handeln würde. Deshalb hatte man seinerzeit keine Begrenzung für diese Kredite vorgesehen. Was jedoch inzwischen passiert ist, macht die Fachleute fassungslos. Wenn die Länder, deren Banken die Kredite gegeben wurden, zahlungsunfähig werden, haftet Deutschland. Wohin man auch schaut: Es tun sich Abgründe auf. “ [3]

Die Bundesbank reagierte darauf in einer Pressenotiz mit den Worten: „TARGET2-Salden sind das Ergebnis der grenzüberschreitenden Verteilung von Zentralbankgeld innerhalb der dezentralen Struktur des Eurosystems. Die Höhe und die Verteilung der TARGET2-Salden über die nationalen Notenbanken des Eurosystems sind für deren Risikoposition aus der Mittelbereitstellung des Eurosystems jedoch unerheblich: TARGET2-Salden stellen für die einzelnen nationalen Notenbanken keine eigenständigen Risiken dar.“ [4]

Oft wird zudem die Befürchtung geäußert, dass ein Land sich beim Austritt aus der EU weigern könnte, den TARGET2-Saldo zu begleichen. In diesem Fall würden die deutschen Steuerzahler dafür aufkommen müssen.

Bundesbank-Präsident Jens Wiedmann sagte dazu: „Unser Basisszenario ist der Fortbestand der Währungsunion. In diesem Basisszenario sind die Target2-Salden nicht verlustträchtig.“ Er gehe davon aus, dass Target-Verbindlichkeiten im Falle eines Austritts eines Landes beglichen würden. „Wie das dann in der Praxis aussieht, inwieweit eine Regierung dann willens und fähig ist, diese Forderung zu begleichen, steht auf einem anderen Blatt. “ [5]

Auch Politiker äußern Bedenken. Der Grünen-Europaabgeordnete Sven Giegold sagte: „Das dauerhaft hohe Niveau der Target-Salden zeigt, dass die Eurokrise nicht vorbei ist. “ Die Geldpolitik der EZB müsse die fiskalpolitische Tatenlosigkeit der Mitgliedsländer ausgleichen. [5]

Sorge bereitet vor allem die Entwicklung in Italien. Nach der Regierungsbildung der EU-kritischen Parteien Fünf Sterne und Lega geht die Befürchtung um, Italien könnte die Währungsunion verlassen. Italien hat mit -426,1 Milliarden Euro derzeit den größten negativen Target2-Saldo.

Bei einem Austritt Italiens aus der Währungsunion könnte sich das Land weigern, die Forderungen aus dem TARGET2-Saldo zu begleichen. Doch auch wenn das Land die Forderungen anerkennen würde, bliebe das Risiko, dass es sie nicht begleichen kann. Sollte das Land die Lira wiedereinführen, gilt es als wahrscheinlich, dass der Kurs der Währung rasch einbrechen wird.

Der Jurist Karl Albrecht Schachtenschneider sagt: „Es gibt meines Wissens keinen verbindlichen Rechtstext, aus dem hervorgeht, dass Target-Verbindlichkeiten fällig gestellt werden können.“[6]

Isabel Schnabel, Professorin für Finanzmarktökonomie an der Universität Bonn und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, kommt in ihrer gemeinsam mit Martin Hellwig, emeritiertem Direktor am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn, veröffentlichten Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zu den Anträgen der Fraktion der FDP und AfD zum Thema "Target“ (BT-Drs. 19/6416 und 19/9232) am Mittwoch, dem 5. Juni 2019 zum Fazit:

"Unserer Meinung nach sind keine umfassenden Reformen des Target-Systems erforderlich, da von diesem System keine wesentlichen Risiken für den deutschen Steuerzahler ausgehen und die beschriebenen Reformvorschläge der Besicherung oder Umwandlung von Target-Salden Gefahr laufen, den Euro zu destabilisieren."[7]


Weiterführende Links:

[1] EZB - TARGET Annual Report
[2] Bundesbank.de - "TARGET Annual Report"
[3] Presseartikel von Hans-Werner Sínn, Wirtschaftswoche,
[4] Bundesbank.de - "Zur Problematik der TARGET2-Salden im Eurosystem"
[5] FAZ - "Target2-Saldo steigt auf über 800 Milliarden Euro
[6] Handelsblatt - "Warum die Bundesbank ein Billionen-Euro-Problem hat"
[7] Bundestag.de - "Stellungnahme anlässlich der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses"

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